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Empfang von Satellit Astra 19.2 mit SAT>IP

Um volle Freiheit und Gängelfreiheit beim Radio und Fernsehempfang zu genießen ist eine Satellitenantenne quasi unabdingbar. Im Neubau passt das konzeptionell aber nicht so richtig, da für eine klassische Installation aufwendige Installationen mit (u.U. vielen) Koaxkabel(n), Satellitenreceiver und dergleichen mehr erforderlich sind. Hinzu kommt die Problematik mit "Unicable", DiSeq, Steuerspannungen, Hi-/Low Band, Kabeldämpfung usw.

Seit wenigen Jahren gibt es ein neues Konzept, SAT>IP. Im SAT>IP Standard wird ein extrem simples IP Protokoll definiert, welches einen reinen Satellitenempfänger per IP Steuert und die Daten eines Satellitentransponders/Bouquets aufbereitet als RTP Strom an eine bestimmte IP-Adresse schicken kann.

Es gibt mittlerweile Satellitenempfangsantennen die direkt einen SAT>IP Umsetzer eingebaut haben. Speziell die Antenne Selfsat SAT>IP21 wird über PoE(!) versorgt (nach 802.3at, 802.3af geht aber auch) und sie kann direkt via Ethernet (Die Antenne hat ein 1G Interface) ins Heimnetz eingebunden werden. Bevor es losgeht müssen allerdings noch Vorbereitungen getroffen werden.

Verschiedene Forenbeiträge schreiben, daß die Flachantennen keine gute Empfangsleistung haben. In der Praxis kommt man, vor allem bei Astra 19.2E, damit aber gut klar. Es funktioniert ordentlich und zuverlässig, auch bei Regen oder im Winter. Es gibt Grenzbereiche wo eine 80 cm Schüssel noch guten Empfang liefert, während das Signal für die Flachantenne nicht mehr reicht. Bei Astra 19.2E ist das in Deutschland offensichtlich kein Thema, bei Hotbird 13E gabs in der Vergangenheit Themen (12558V geht mittlerweile aber wieder - Empfangsreserven kann man z.B. auf satindex einsehen ). Die praktischen Vorteile der Selfsat Antenne überwiegen bei mir bei weitem und die mir wichtigen Transponder sind gut zu empfangen.

Aufbau

Die erste wichtige Erkenntnis: Satellitenantennen müssen nicht auf das Dach gestellt werden. Für den Empfang terrestrischer Sender ist ein möglichst hoher Standort meist schon wichtig, für Satellitenempfang ist nur wichtig, das man das entsprechende Fleckchen für Astra oder Hotbird am Südhimmel sehen kann.

Das grobe Ausrichten der Antenne z.B. auf Astra 19.2 kann mittlerweile ganz einfach mit dishpointer direkt via google Maps und einem Geodreick erfolgen. Wurde vorab ermittelt daß man den Satelliten vom gewünschten Aufstellort sehen kann, so sind geschickte Plätze unter dem Dach auf der Terasse, unauffällig im Garten in Hausnähe oder in Fensternähe auf einem Balkon, Dachterasse oder ähnliches. Idealerweise ist der Platz im sogenannten "geschützten Bereich". Wichtig ist es Blitzschutz und Potentialausgleich zu beachten und sich hier ggf. von Fachleuten unterstützen zu lassen.

[Selfsat auf der Terrasse]
Selfsat SAT>IP Antenne auf der Terrasse mit Empfang von Astra 19.2
[Ethernetkabelverlängerung]
Fensterdurchführung und wasserdichter Ethernetverbinder

Im zweiten Bild kann man sehen, daß ich für die Fensterdurchführung ein Ethernet-Flachkabel verwende. Diese Kabel sind etwas problematisch, insbesondere da ich eine Leitungslänge von über 30 m habe. Ich setze daher ein nur 50 cm langes Flachkabel als Durchführung durch die Balkontür ein. Außen wird diese mit einem IP67 Verbinder mit einem normalen Rundkabel verbunden und weiter zur Antenne geführt. Es gibt auch tolle, wetterfeste Kabel die ca. das 10 fache wie die Normalen kosten. Wichtig ist es die Kabel wie im Bild etwas auszurunden, so daß Wassertropfen nicht in den Verbinder laufen sondern an einer anderen Stelle abtropfen.

SAT>IP Vor- und Nachteile

Wenn man weiß was SAT>IP bietet ist es eine geniale Lösung. Was bewährt sich an der obigen Lösung?

Was kann ich nicht beurteilen?

Selfsat IP21 - Firmwareupdate ohne Windows

Meine "Selfsat SAT>IP 21" kam mit einer recht alten Firmware an, 2.2.9. Im Internet las ich schon Erfahrungsberichte, daß die alten Firmwareversionen nicht mit tvheadend funktionieren. Die Firmware hatte zudem nicht mal einen Webserver um eine Firmwaredatei hochzuladen, sondern macht das per DOS-Batch-Datei(sic!), terraterm, tftp32 und weiteren tools unter Windows(!).

Wichtige Warnung vorweg

Achtung: Macht man hier Fehler wird die Antenne nachher nicht mehr starten (= "gebrickt"). Es gibt zwar einen seriellen Anschluß (3,3V level, bezeichnet mit J14 und innerhalb des Gehäuses) über den die uboot Konsole erreichbar ist, allerdings ist die ohne nähere Kenntnisse und Erfahrung praktisch kaum nutzbar. ZUSÄTZLICHE EXTRA WARNUNG: Der Hersteller hat wohl offensichtlich das Speicherlayout in der Antenne geändert und noch ältere Firmwareversionen können so gar nicht aktualisiert werden. Bei mir hat es geklappt, das Speicherlayout des Flash bei mir ist wie folgt:

mtdparts=spi0.0:0x10000@0x0(tb100-env),0x30000@0x10000(u-boot0),0x40000@0x40000(u-boot1),0xc00000@0x80000(uImage0),0xc00000@0xc80000(uImage1),0x780000@0x1880000(userdata)

los gehts mit dem Firmwareupdate

Also erstmal die Firmwaredatei unter "SAT>IP Upgrade Firmware" von der Selfsat Webpage geholt.

Die Antenne hat aber ein normales Linux drauf und die o.g. Firmwaredatei kann auch regulär ohne Windows geflasht werden.

Nachdem die Antenne gebootet hat bezieht das dort laufende Linux via udhcpd eine IPv4 aus dem LAN. Bei mir ist das die IP 172.16.2.5. Es läuft ein ssh Server mit der sinnreichen User/Passwort Kombination User: root/Passwort: root. Nach der Anmeldung, können die einzelnen Schritte aus der Doku und dem Batch Job manuell an der Shell der Antenne eingegeben werden (busybox).

Die von Selfsat heruntergeladene Firmware-Upgrade Datei entpacken. Es entstehen gss4p_update_v3_1_18/ und gss4p_webui_firmware_3_1_18/ und eine PDF Beschreibung des Updatevorgangs.

Die Datei gss4p_update_v3_1_18/Tftpd32/gss4pui_uImage_v3_1_18.bin muß nun via scp auf die Antenne kopiert werden. Danach via ssh als root auf der Antenne einloggen. Im folgenden sind die Ausgaben der Antenne normal und die Tastatureingaben durch den User dick gedruckt.

ssh root@172.16.2.5 # um sich auf die Antenne einzuloggen
Password: root
[AS-B3S100-Server]$ md5sum gss4pui_uImage_v3_1_18.bin
82390744a449c6bcc9365eda0eebb1ef

Die md5summe auf jeden Fall mit der Version auf dem PC Vergleichen um übertragunsprobleme und insbesondere abgeschnittene Dateien zu vermeiden.

[AS-B3S100-Server]$ fw_tool update -n uImage1 -f gss4pui_uImage_v3_1_18.bin
Erasing '/dev/mtd4' (uImage1)
Updating '/dev/mtd4' (uImage1) with gss4pui_uImage_v3_1_18.bin (7091766 bytes)

Das Löschen des Flash und neu beschreiben dauert einige Zeit (gefühlt ewig, real einige Minuten). Im beschreibungs-PDF im root-Verzeichnis des Firmwareupgrade archives ist es nicht mehr beschrieben, aber in der Batch Datei kann nachvollzogen werden was noch gemacht werden muß, damit das Firmwareimage funktioniert. fw_tool list ist nicht dokumentiert, funktioniert aber und wird auch von der DOS-Batch Datei aufgerufen.

[AS-B3S100-Server]$ fw_tool activate -n uImage1
[AS-B3S100-Server]$ fw_tool list
mtd0: tb100-env (64 KB) 
mtd1: u-boot0 (192 KB) (1)
mtd2: u-boot1 (256 KB) 
mtd3: uImage0 (12 MB) 
mtd4: uImage1 (12 MB) (2)
mtd5: userdata (7 MB) 
[AS-B3S100-Server]$ cd /data
[AS-B3S100-Server]$ rm -rf /data/*
[AS-B3S100-Server]$ ls -al /data
[AS-B3S100-Server]$ reboot

Mit dem reboot Kommando startet die Antenne durch. Durch das Firmwareupdate gibt es auf Port 8000 nun ein sehr rudimentäres Webinterface (unter dem man unter anderem die Firmware upgraden kann) und das Default-root-passwort ist auf SELFSAT geändert. Das Passwort für das Webinterface ist admin/admin... Wurde vorher die Webseite schonmal aufgerufen muß man mit Strg+R reloaden, ansonsten zeigt er die alte Seite an. Wenn das Firmwareupdate sicher aufgespielt wurde, muß ggf. auch ein Power-Cycle gemacht werden, damit die Antenne sicher startet.

Aufgrund der Probleme mit den Passwörtern muß das Gerät aus purem Selbstschutz in ein eigenes (V)LAN verfrachtet werden. Natürlich kann man die Passwörter ändern, das Risiko die dann aber zu vergessen ist dann aber doch recht hoch. Der SAT>IP Server sollte jedenfalls tunlichst nicht direkt im LAN exponiert sein (da ansonsten eben auch die SSH Login Shell und das Webinterface auf Port 8000 erreichbar ist) sondern z.B. mit tvheadend gekapselt werden. tvheadend kümmert sich auch um das Resourcenmanagement.

Netzwerkprobleme

Irgendwie muß das Netzwerkkabel durch ein Fenster herein, zuerst habe ich das mit dieser Fensterdurchführung probiert. Damit werden aber nur 100 MBit/s zuverlässig erreicht. Wichtig: In diesem Fall wird dann halbduplex ausgehandelt, d.h. es muß auf dem Switch auf der Gegenseite nur "100 MBit/s halbduplex" einstellt werden, damit es zuverlässig funktioniert. Ansonsten gibt es immer wenn tvheadend die RTSP Pakete verschickt packet-loss und damit Bildruckler bzw. Tonaussetzer. Am (gemanagten) Switch können diese Fehler gut erkannt werden. Am Shellprompt der Antenne kann gepüft werden was ausgehandelt wurde. Hinter der Meldung Link is up wird die von der Antenne erkannte Geschwindigkeit und Modus gelistet. Ich habe bei mir das Kabel getauscht und kann jetzt 1 GBit/s vollduplex verwenden.

[AS-B3S100-Server]$ dmesg |grep stmm
stmmac - user ID: 0x10, Synopsys ID: 0x37
libphy: stmmac: probed
eth0: PHY ID 001cc915 at 0 IRQ POLL (stmmac-0:00) active
eth0: PHY ID 001cc915 at 1 IRQ POLL (stmmac-0:01)
stmmac_open: failed PTP initialisation
libphy: stmmac-0:00 - Link is Up - 100/Half
libphy: stmmac-0:00 - Link is Down
libphy: stmmac-0:00 - Link is Up - 1000/Full
stmmac: Energy-Efficient Ethernet initialized

Netzwerkprobleme die 2.

Wie oben beschrieben habe ich ein 50 cm langes Ethernet-Flachkabel durch das Balkonfenster geführt. Dies ist ok, aber nicht perfekt. Auf meinem gemanagten Switch sieht man das pro ca. 40 Millionen Frames ein CRC Fehler (= FCS-Error) auftritt. Das heißt das ca. alle 50 GB ein Frame verloren geht. 50 GB sind etliche Stunden HD Fernsehen, daher akzeptiere ich das jetzt so.

octopus#show interfaces counters GigabitEthernet1/0/7

      Port       InUcastPkts  InMcastPkts  InBcastPkts    InOctets   
---------------- ------------ ------------ ------------ ------------ 
    gi1/0/7        84351579      27983          12      113820364048 

      Port       OutUcastPkts OutMcastPkts OutBcastPkts  OutOctets   
---------------- ------------ ------------ ------------ ------------ 
    gi1/0/7         60954        35141        70264       15674333   

FCS Errors: 2
Single Collision Frames: 0
Multiple Collision Frames: 0
SQE Test Errors: 0
Deferred Transmissions: 0
Late Collisions: 0
Excessive Collisions: 0
Carrier Sense Errors: 0
Oversize Packets: 0
Internal MAC Rx Errors: 0
Symbol Errors: 0
Received Pause Frames: 0
Transmitted Pause Frames: 0

Anbindung an tvheadend

Das automagische discovery hat nicht funktioniert, deshalb starte ich jetzt tvheadend wie folgt

/usr/bin/tvheadend -f -p /var/run/tvheadend.pid -u hts -g video --satip_xml http://172.16.2.5:8000/description.xml

Dadurch wird die SAT>IP Antenne direkt angesprochen und nicht via UPNP discovery gesucht.

Die Antenne enthält 8 Tuner, in tvheadend stehen entsprechend 8 frontends zur Verfügung. Diese müssen dann alle noch manuell enabled werden, damit es funktioniert.

Stromverbrauch und Standard

Am PoE Switch braucht die Antenne in Betrieb ca. 10 Watt und kann Gigabit Ethernet. Leider gehen die Tuner nicht wieder in den Sleep-Modus, direkt nach dem Booten braucht sie nämlich nur knapp 6 Watt aber spätestens nach dem tvheadend EPG Scan sind es runde 10 (und bleiben es auch).

#show power inline GigabitEthernet1/0/7

Interface    Admin       Oper         Power (W)     Class     Device     Priority 
---------- ---------- ----------- ----------------- ----- -------------- -------- 
gi1/0/7    Auto       On          9.900             4     Selfsat SAT>IP low      

Port Status:               Port is on. Valid resistor detected
Port standard:             802.3AT
Admin power limit:         20.0   watts
Time range:
Link partner standard:     802.3AT
[...]
#show interfaces status GigabitEthernet1/0/7
                                             Flow Link          Back   Mdix
Port     Type         Duplex  Speed Neg      ctrl State       Pressure Mode
-------- ------------ ------  ----- -------- ---- ----------- -------- -------
gi1/0/7  1G-Copper    Full    1000  Enabled  Off  Up          Disabled Off    

LLDP Dienst

Mit einer älteren buildroot-2015.02 von 2015 konnte ich mir nach der Auswahl von "Kernel 3.10" und "kein Threading" einen entsprechenden ARC litte-Endian crosscompiler übersetzen, der valide Binaries für die Antenne übersetzen kann (Firmware 3.18). Wie - wenn überhaupt möglich - üblich habe ich einen LLDP Dienst installiert. Als Convienience gibt es hier zum Download ausnahmsweise auch ein ARC-LSB Binary. Dies kann man auf der Antenne nach /data kopieren und starten. An dieser Stelle steht es dann dauerhaft zur Verfügung.

Gängelung

Das Wort Gängelung ist recht oft auf dieser Seite. Laut Duden heißt "gängeln" jemandem in unangenehmer Weise dauernd vorschreiben, wie er sich zu verhalten hat. Hier möchte ich ein paar Sätze hierzu verlieren, warum ich bei digitalen Diensten (TV und Radio) sehr oft diesen Eindruck habe.